Darf ich's sagen? Ich bin christ und ich orientiere mich politisch links

Es ist in der heutigen, säkularisierten Zeit schon eher ungewöhnlich, überzeugter, gläubiger Christ zu sein. Noch ungewöhnlicher wird es jedoch, wenn man sich dann auch noch überwiegend zum linken politischen Spektrum zählt. Wobei es durchaus gesellschafstspolitische Themen gibt, bei denen ich dem konservativen Flügel nahe bin.

Ich hoffe, meine christlichen Freunde mit meinen politischen Einstellungen nicht zu sehr zu verschcrecken, weiß ich doch, dass viele ganz anders denken. Gleichwohl: Die gegenseitige Wertschätzung und das Hinhören auf den anderen sind Tugenden, die zu pflegen ich mich bemühe.

02.05.2019

 

Passen Sinn und Kabarett zusammen?

 

Zur Talk-Sendung von Markus Lanz am 1. Mai 2019.


Endlich mal wieder ein kurzer Kommentar von mir zu einer Talk-Sendung von Markus Lanz.

Da saßen wieder mal hochinteressante Gäste in der Runde. Besonders auch, weil zwei Personen dort nebeneinander platziert waren, die so gar nicht harmonieren wollten: Professor Hans-Werner Sinn und Kabarettist Florian Schroeder. Aber auch der Biologin und Ameisenumsiedlerin Christina Grätz und dem Journalisten Manuel Bewarder war spannend zuzuhören.

Ungewöhnlich die Tätigkeit der Biologin, die Ameisenvölker umsiedelt und herausgefunden haben will, dass Ameisen emotionale Wesen sind. Erstaunlich.

Hochinteressant, aber auch erschreckend die Erkenntnisse über die rechtsradikale Szene, über die Manuel Bewarder zu berichten wusste. Meiner Ansicht nach hätte ihm noch etwas mehr zeitlicher Rahmen gegeben werden sollen.

Und dann Professor Sinn und Florian Schroeder. Als beide zum Thema Überwachung/China/Kultur und dann auch zum Thema Individualverkehr/Mobilität diskutierten, ging es temperamentvoll und heiß disputierend her. Da kam natürlich die etwas neoliberale Haltung von Professor Sinn durch sowie die kritische, zukunftsgewandte Denkweise von Herrn Schroeder. Herrlich, wie beide heftig aneinander vorbei stritten und sich wunderbar ereiferten. Dabei konnte ich beider Argumentationen einiges abgewinnen.

Das wirkliche Highlight der Sendung hatte jedoch gar nichts mit Politik zu tun. Als Florian Schroeder in gekonnter Weise seinen Gastgeber Markus Lanz parodierte, schaute dieser amüsiert, aber auch ein wenig erschrocken drein. Absolut köstlich, grandios! Parodien sind natürlich immer überzogen, aber immer auch wahr.

Ein gelungener Talkabend!

Wie üblich kann die Sendung noch einen Monat lang in der ZDF-Mediathek angesehen werden.

30.03.2019

 

Meine politischen Leitlinien

Da ich mich als Christ politisch eher links verorte, darf durchaus die Frage nach der Begründung gestellt werden. Allerdings, nicht alle meine folgenden Thesen können als links bezeichnet werden, andere hingegen klingen durchaus etwas radikal.


Grundlinien

Maßstab und Grundlage allen menschlichen Handelns sind die ethischen Prinzipien, die sich aus der Bibel ableiten lassen. Als Christ glaube ich, dass dieses Buch Gottes Wort ist. Allerdings muss dieses Gotteswort entdeckt, verstanden und in die heutige Zeit übertragen werden.

Das Alte Testament, insbesondere die Tora (die fünf Mose-Bücher), enthält eine Fülle von Gesetzen, welche das alltägliche Leben des Volkes Israel regelten. Für die damalige Zeit und im Vergleich zu den Völkern des Umfeldes können diese Gesetze als außerordentlich modern und sozial bezeichnet werden. Die prophetischen Bücher bestätigen diese Gesetze und zeigen, dass Gott immer auf der Seite der Schwachen, also der Armen, Witwen und Waisen, ja auch der Fremdlinge im Lande, war.
Das Neue Testament enthält solche Gesetze nicht mehr. Wir finden aber etliche Hinweise auf eine rechtliche und soziale Ethik. Besonders der Evangelist Lukas, vermutlich ein griechischer Arzt, stellt sich immer wieder auf die Seite der sozialen Randgruppen. In seinem Brief verurteilt Jakobus, vermutlich ein Bruder Jesu, diejenigen Arbeitgeber, die den schuldigen Lohn vorenthalten. Er kritisiert ein Christsein, welches sich nicht in guten Werken zeigt.

Neben den bisher genannten sozialen Aspekten finden wir in der Bibel weitere interessante Hinweise zu ethischen Normen. So war die Rechtsprechung im alten Israel für damalige Verhältnisse außerordentlich human. Und natürlich gab es auch Anweisungen bezüglich der zwischenmenschlichen Beziehungen, so beispielsweise zur Ehe und Sexualität.


Leitlinien aus Altem und Neuem Testament

Nun lassen sich die in der Bibel entdeckten Gesetze und Anweisungen nicht einfach auf die heutige Zeit übertragen. Es gilt, die grundsätzlichen Prinzipien dahinter zu entdecken. Oder, fromm gesagt, zu erforschen, welche Gedanken und Absichten Gottes dahinter standen. Wenn uns das gelingt, dann können wir aus den uralten Texten großartige Leitlinien für das heutige Handeln ableiten.

Hier ein paar Beispiele, wobei die Reihenfolge der Nennung keine Wertung darstellt:

1. Soziale Gerechtigkeit
Sozial gerecht ist, wenn ein Mensch vom Lohn seiner Arbeit leben und seine Familie ernähren kann. Das gilt unabhängig vom jeweils favorisieren Familienmodell. Wie immer sich die beiden Partner berufliche und familiäre Arbeit aufteilen, das Einkommen aus einer Vollzeitbeschäftigung muss für die Belange der Familie ausreichen. Die Frage ist natürlich sofort, was ich als Familie bezeichne und wie viele Kinder ich ggf. voraussetze. Nun, zumindest in biblischen Zeiten zählten zur Familie auch die Großeltern, die kein eigenes Einkommen hatten (eine Rente gab es damals nicht). Nicht alle Familien dürften kinderreich gewesen sein. Das gibt Spielraum für moderne Interpretationen. Da alte Menschen heute eigene Einkunftsarten haben, würde ich diese Personengruppe nur dann hinzuzählen, wenn deren Einkünfte zu einem angemessenen Leben nicht ausreichen.
Da jeder Mensch einen Platz zum Schlafen, oder besser: zum Leben, braucht, zählt für mich zur sozialen Gerechtigkeit auch das Recht auf angemessenen Wohnraum. Die alttestamentlichen Regeln zum Erlassjahr und sogenannten Jobeljahr (das 50. Jahr) dienten dazu, dass Familienbesitz nicht durch Zerstückelung dahinschmilzt; auch Wucherpreise und Grundstücksspekulationen konnten so weitgehend verhindert werden. Leider hat das alte Israel diese Gesetze Gottes höchstwahrscheinlich nie angewendet.
Personen, die verschuldet waren, stand dennoch ein Recht auf Privatsphäre und einen Mindest-Lebensstandard zu. Sklaven mussten nach sieben Jahren freigelassen und materiell ausgestattet werden.
Der Apostel Paulus schreibt an einer Stelle, dass, wer nicht arbeitet, auch nicht essen soll. Das klingt zunächst etwas platt und rabiat. Den Hintergrund dieser Auffassung kann ich hier aus Platzgründen nicht näher beleuchten. Grundsätzlich aber verurteilt die Bibel das Faulenzertum. Jeder Mensch hat neben Rechten auch Pflichten (sofern er in der Lage ist, diesen Pflichten nachzukommen).

2. Steuern und Sozialabgaben
Zumindest zur Zeit des Neuen Testamentes dürfte die Steuerlast nicht unerheblich gewesen sein, wobei sich die Steuereintreiber durchaus auch selbst bereicherten. Jedenfalls verweigert Jesus die Steuerzahlung nicht. Auch gab es eine Tempelabgabe, die zur Finanzierung des Gottesdienstes im weitesten Sinne, sowie zu sozialen Zwecken diente. Im Alten Testament wird davor gewarnt, die Steuerlast nicht zu übertreiben.
Daraus ergibt sich, dass Abgaben zur Finanzierung der sozialen und öffentlichen Aufgaben richtig und von jedem zu zahlen sind. Steuerflucht, Steuervermeidung usw. sind daher zu verurteilen und zu ahnden, entziehen sich solche Personengruppen doch der gesellschaftlichen Verantwortung.

3. Rechtssystem
Sehr energisch wendet sich das Alte Testament gegen Korruption und Rechtsbeugung jeglicher Art. Gottes Schutz galt insbesondere den Armen, denen, die keine menschliche Hilfe beanspruchen konnten.
Es gab auch ein klar geregeltes Strafrecht. Aus unserer heutigen Sicht mag die darin auch enthaltene Todesstrafe grausig anmuten, aber der für die damalige Zeit außerordentlich humane Aspekt war der, dass ein Straftäter die Möglichkeit hatte, in eine spezielle Stadt zu flüchten, in der er von den Bluträchern nicht angetastet werden durfte. Ein humanes Strafrecht fußt also auf biblischem Boden.

4. Königsgesetze
Natürlich, zu alttestamentlichen Zeiten gab es in Israel keine Demokratie. Der König hatte unbeschränkte Autorität. Eine Gewaltenteilung gab es nur indirekt, denn neben dem König spielten der Hohepriester und der Ältestenrat eine entscheidende Rolle. Das Gesetz wies den König allerdings in seine Schranken, denn er hatte sich um das Wohlergehen des Volkes zu kümmern. Ähnliches gilt für die Ältesten, im Neuen Testament das Synedrium (hebr. Sanhedrin).

5. Militär
Dieser Bereich ist zumindest im Alten Testament eines der dunkelsten Themen. Es gab viele Kriege, es floss viel Blut. Das mutet uns heute außerordentlich befremdlich an, war aber zur damaligen Zeit wahrlich nichts besonderes. Was wir auf jeden Fall festhalten können, ist, dass ein Staat das Recht hat, sich zu verteidigen, wenn er denn angegriffen wird.


Leitlinien für heute

1. Im Haushalt der deutschen Bundesregierung stellt Soziales den größten Posten dar. Dies erscheint mir richtig.
Der Staat darf sich nicht aus der Verantwortung stehlen, in dem er öffentliche Aufgaben privatisiert. Die Ökonomisierung und Privatisierung öffentlicher Aufgaben ist ein fataler Irrweg. An der dramatischen Situation im Pflege- und Gesundheitsbereich wird dies mehr als deutlich.
Wenn das Wohnen ein allgemeines Grundrecht ist, dann hat der Staat für entsprechenden, bezahlbaren Wohnraum zu sorgen. Spekulationen mit Grundstücken und Wohnungen gehören schlicht verboten.
Nicht unbedingt aus biblischen Texten ableiten kann ich meine These, wonach die Infrastruktur eines Staates eine öffentliche Aufgabe darstellt und somit nicht privatisiert werden oder der Gewinnmaximierung unterworfen werden darf. Hierzu zählt das Straßennetz, die Bahn, der öffentliche Personennahverkehr, Kommunikations-Kabelnetze und die Strom- und Wasserversorgung. Der Verkauf von Wasser darf nur kostendeckend erfolgen und ist kein Objekt der Gewinnerzielung. Deshalb wäre ich dafür, den Versuch zu unternehmen, Privatisierungen wieder rückgängig zu machen, besonders im Bereich der Seniorenheime und Krankenhäuser.
Übrigens bin ich auch für eine Obergrenze bei den Einkommen. Die Schere zwischen arm und reich darf nicht weiter auseinander gehen! Weshalb in Topmanager viele Millionen Jahreshalt bekommt, während der Pflege und der Postzusteller mit wenigen Tausend Euro abgespeist wird, erschließt sich mir nicht. Hier liegt offensichtlich ein falsches Wertesystem vor. Eine Richtschnur könnte die Glücksforschung bieten. Danach steigt der Glücksfaktor bis zu einem Jahreseinkommen von 80.000 €, danach nicht mehr. Wenn ich bereit wäre, noch eine Schippe drauf zu legen (okay, das klingt jetzt etwas willkürlich), dann käme ich zu einem akzeptablen Maßstab. Diese Richtung würde das Gerechtigkeitsgefühl in der Bevölkerung drastisch steigern, vielleicht sogar den Zusammenhalt wieder stärken.

2. Der Haushalt muss von allen Schichten der Bevölkerung getragen werden. Deshalb erscheint es mir grundsätzlich richtig, allen Bevölkerungsgruppen eine Steuer- und/oder Abgabenlast aufzubürden. Das gilt für hohe Einkommen, aber auch für geringe. Eine andere Frage ist die konkrete Ausgestaltung.
Ich bin nicht für ein bedingungsloses Grundeinkommen, wohl aber für einen ausreichenden Mindestlohn, eine ebensolche Altersversorgung und eine Grundsicherung. Entsprechend lehne ich Aufstockungen und komplizierte Sozialhilfen ab. Da aber jeder Mensch auch Pflichten hat, erwarte ich, dass Bezieher von Leistungen des Staates diesen Staat auch unterstützen, beispielsweise durch Sozialstunden oder ähnlichem.

3. Korruption, Rechtsbeugung, Ausbeutung der Armen sind schlicht Verbrechen, die zu ahnden sind.
Bezüglich der sozialen Randgruppen bedeutet das aber auch, dass diesen ein menschenwürdiges Leben, heute sagen wir Teilhabe am öffentlichen Leben, zusteht.
Das Strafrecht hat human zu sein, ohne etwa lax gehandhabt zu werden. Ich gebe hier jedoch zu, dass ich für dieses Thema absolut nicht kompetent bin.

4. Regierungen, Parlamente, Politiker ganz allgemein haben für das Wohl des Volkes zu sorgen. Im Einzelfall kann natürlich darüber gestritten werden, was dieses Wohl ist. Aber einige Punkte habe ich bereits aufgeführt. Politiker müssen für ihre Tätigkeit ausreichend materiell ausgestattet werden. Dass die aber noch allerlei Nebentätigkeiten nachgehen, ist für mich nicht akzeptabel! Was ich in meinem Beruf nicht durfte und auch gar nicht konnte, geht bei Politikern auch nicht. Das würde auch helfen, Interessenkonflikte zu verhindern.

5. Beim Thema staatlicher Verteidigung bin ich etwas gespalten. Der Staat darf sich verteidigen. Das kostet Geld. In einer globalisierten Welt ist es vermutlich kaum möglich, sich aus allen Konflikten herauszuhalten, denn diese können leicht zu eigenen Problemen führen. Beispielhaft sei hier nur das Flüchtlingsthema genannt. Ob aber ein Land wie Deutschland tatsächlich eine weltweite Rolle übernehmen sollte, bezweifle ich sehr. Von Deutschland sollten Friedensinitiativen ausgehen, keine Kriegsgeräte. Daher lehne ich Waffenverkäufe an Staaten, die eigentlich keiner Bedrohung ausgesetzt sind, ab. Ebenso Waffenverkäufe an Staaten mit diktatorischen Strukturen.



Zugegeben, ein langer Text, dabei noch nicht mal vollständig. Vielleicht geht das auch kürzer, prägnanter zu formulieren. Das ist aber leichter gesagt als getan. Dieser Text stellt also einen Anfang dar, der vermutlich einige Überarbeitungen und Ergänzungen erfahren wird. Wir werden sehen.

 

Wolfgang Petersen

 

 

24.03.2019:

 

Profi im Abseits

Ein verspäteter Nachklang zur Talk-Sendung von Markus Lanz am 20. März 2019

Nur vier Gäste sind geladen, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Zu Gast sind Schülerin Julia Oepen, Politikerin Katja Suding von der FDP, Krimiautor Sebastian Fitzek und Psychiater und Theologe Manfred Lütz. Es verspricht, eine interessante Runde zu werden.
Und wie! Frau Suding hält nichts von den unterrichtsschwänzenden Schülerprotesten, alle anderen Talk-Teilnehmer halten entschieden dagegen. Frau Suding, reichlich in die Ecke gedrängt, versucht, Verständnis für die Sache an sich zu zeigen, ergeht sich aber in allerlei Schwafeleien und Allgemeinplätzen. Wohltuend die junge Lady Julia Oepen. Mit fast verblüffend einfachen Worten bringt sie das Kernthema und die Gründe für die Protestwelle der Schüler auf den Punkt. Schließlich springt ihr sogar der im Vergleich zu ihr schon recht betagte Herr Lütz bei. Köstlich! Sogar Herr Lanz, der ohnehin gern redet, hat hier wieder mal die Möglichkeit, einige seiner Lieblingsthesen loszuwerden. Nur diesmal passend und berechtigt. Ihn nervt der Allgemeinsprech der Politikerin. Und dann ist da noch Herr Fitzek. Sympathisch, ein wenig verschmitzt, aber dennoch glaskar; er steht der Schülerin bei.
Ja, die Schüler schwänzen, aber der Grund ist mehr als einleuchtend: es geht um die existentielle Zukunft einer neuen Generation.
Mein Fazit: Klarer Punktsieg für die junge Schülerin Julia Oepen. Note 1. Die Profi-Politikerin klar im Abseits. Note 6. Die anderen Teilnehmer: mindestens Note 2. Der markanteste Satz: "Wenn nicht jetzt, wann dann!" kam von Julia Oepen.
Eine aufschlussreiche, gelungene Sendung.

Wolfgang Petersen

Das Video zur Sendung ist in der ZDF-Mediathek verfügbar bis zum 20.03.2020 um 23:15 Uhr

 

 

24.03.2019:

 

Und alle mähen Rasen

Seit nunmehr gut fünf Jahren wohnen wir auf dem Dorf. Das war so nicht geplant, aber da bezahlbarer Wohnraum schon damals in der Stadt kaum zu bekommen war, wurde es das Dorf in der Elbmarsch. Die Infrastruktur ist nicht schlecht. Wir haben einen guten Supermarkt, Ärzte, eine Bankfiliale (wahrlich keine Selbstverständlichkeit beim heutigen Rationalisierungszwang), sogar eine kleine Kunstgalerie.
Wir leben also im Grünen. Viele Zeitgenossen würden uns darum beneiden.

Doch der Leser mekrt es schon: da fehlt doch das Aber! Hier kommt's:
Die Sonne scheint, die Vögel singen, wir wollen auf dem Balkon Frühstücken. Unser werter Herr Nachbar hat allerdings ganz andere Pläne. Seit morgens um sieben läuft bei ihm irgendeine Maschine. Gut, er muss arbeiten, er hat einen großen Gartenbaubetrieb. Nur, heute ist Sonnabend, wir haben freies Wochenende und wollen einfach unsere Ruhe und einen schönen Tag genießen.
Gerade will der erste Ärger in mir aufsteigen, da springt bei unserem anderen werten Nachbarn der Rasenmäher an. Und beim Nachbarn gegenüber auch. Wir verziehen uns angesichts dieses vielstimmigen Motorenkonzertes in unsere Wohnung und schließen die Balkontür. Es gibt ja nich den Nachmittag.
Ja, den gibt es. Aber was kann man alles an so einem schönen Nachmittag anstellen. Das Auto waschen. Natürlich nicht per Hand - so, wie ich früher - nein, ein lärmender Hochdruckreiniger muss es sein. Unser Gartenbau-Nachbar nutzt die Zeit und häckselt unentwegt Grünschnitt. Also wieder nichts mit Ruhe auf dem Balkon oder in unserem kleinen Gartenstück. Wir vertrösten uns auf den Abend.
Der erscheint mit einem wunderschönen goldgelben, später roten Sonnenuntergang. Die Luft ist mild - und der Herr Nachbar heckselt noch immer. Sogar ein Rasenmäher läuft noch irgendwo. Von weiter weg höre ich Partymusik und fröhliches Gelächter. Klar, solch ein Abend bietet sich geradezu an, eine nette Gartenparty zu feiern. Mit zünftigem Grill (oh, wie schön riecht es sogar bei uns) und Karaoke-Singen (meist weniger schön anzuhören).
Der Tag neigt sich dem Ende. Das Wetter war herrlich. Alles bestens für erholsame Stunden auf dem Balkon oder im Garten. Wir aber haben den ganzen Tag in unserer Stube gesessen, Fenster und Türen gut verschlossen. Wir wollten doch nur unsere Ruhe. Aber alle mähen ihren Rasen. Na ja, morgen ist ein neuer Tag. Obwohl, es dürften noch nicht alle Grünflächen gemäht sein. Und notfalls gibt'S noch Grünschnitt.
Mein Fazit: Wer denkt, auf dem Dorf lebt es sich ruhiger ...

 

Wolfgang Petersen

 

 

12.03.2019:

 

GEDANKEN ZUM THEMA "mit anderen Augen sehen"

Für den langwierigen Prozess der Inkulturation von Menschen aus anderen Kulturkreisen können die Erfahrungen und Erkenntnisse der christlichen Missionswerke hilfreich sein. Der nachfolgend wiedergegebene Artikel stammt aus der Publikation einer international tätigen Organisation und dürfte für manche Ohren ungewohnt klingen. Es wäre aber gut, einfach mal hinzuhören und die für das Thema Integration wesentlichen Erkenntnisse daraus zu ziehen. Meiner Ansicht nach wird das Problem der immensen Unterschiede zwischen den Kulturen nicht hinreichend wahrgenommen, auch nicht bei unseren Integrationsbemühungen.

Lies folgenden Spruch schnell durch:
Könntest du nur
nur mit
mit meinen Augen
sehen, in
in meinen
Schuhen
gehen, an
an meiner
Stelle
stehen!

Hast du sofort die doppelten Wörter bemerkt oder sie über-sehen? Was wir sehen, hängt davon ab, was wir erwarten und sehen wollen, wie wir geprägt und gelehrt wurden, was für uns sinnvoll ist.

So IST KULTUR.
Ein Mensch wird in eine Kultur hineingeboren‚ erlernt ihre soziale Ordnung, das Welt— und Menschenbild und ihre eigenen Werte von Klein auf. Seine Kultur bestimmt sein Reden, Denken und Handeln, ja: das ganze Leben. Mit diesen Augen betrachtet er die Welt. Wird er mit einer fremden Kultur konfrontiert, muss er sich entscheiden, ob er sich vor ihr verschließen oder sich dafür öffnen will. Öffnet er sich für die andere Kultur, beginnt ein Lernprozess. Mit den Augen des anderen sehen zu lernen, erfordert Demut, Geduld und Liebe. Wie Paulus es in 1. Korinther 9‚20—22 ausdrückte: „Den Juden bin ich wie ein Jude geworden, damit ich die Juden gewinne. ... Denen ohne Gesetz bin ich wie einer ohne Gesetz geworden, damit ich die ohne Gesetz gewinne. Ich bin allen alles geworden ..., damit ich auf alle Weise etliche rette.“

DEN AFRIKANERN EIN AFRIKANER:
In Mosambik waren wir befreundet mit Velo, einem afroamerikanischen Missionar. Nicht nur durch seine Hautfarbe war er den Afrikanern ein Afrikaner, sondern er hatte gelernt, wie sie zu denken. Wir luden Velo oft in unsere Mitarbeiterandachten ein und waren immer wieder fasziniert, wie er es schaffte, mit Beispielen aus dem mosambikanischen Alltag Gottes Wort verständlich zu machen. Wie erkläre ich z.B. den Vers aus 2. Korinther 5,17: „Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Schöpfung?“ Was bedeutet es, „neu“ zu sein, wenn man Christ geworden ist? Velo führte seine Zuhörer gedanklich in ihre traurige Realität, ständig von Diebstahl bedroht zu sein. „Wenn
ein Dieb in einem Stadtviertel eine Polizeistreife sieht, geht er in ein anderes Viertel, um dort weiter zu stehlen. Er verändert seinen Standpunkt und bleibt doch ein Dieb. Die Veränderung macht aus ihm keinen neuen Menschen.” Eine neue Schöpfung zu sein, bedeutet jedoch‚ verwandelt zu werden. Dann malte Velo den Zuhörern das alltägliche Ritual des Kochens vor Augen: „Verwandlung ist, wenn man Maismehl in einen Topf schüttet und mit Wasser zu Brei kocht. Das Mehl ist dann völlig verwandelt. Es wird nie mehr zu Mehl werden.“ Verwandlung statt Veränderung - so konnten es unsere Mitarbeiter verstehen.
Missionare wie Velo oder Paulus sind uns Vorbilder für „Kulturkompetenz”. Aber das größte Vorbild ist Jesus: Er ist „in unsere Haut geschlüpft“, ist geworden wie wir, um uns zu erretten. „Er verzichtete auf alle seine Vorrechte und stellte sich auf dieselbe Stufe wie ein wurde einer von uns wie andere Menschen." (Phil. 2,7 NGÜ)

 

 

Deutsche sind,

das ist der Fakt, sehr direkt und manchmal kühl.
Und sie klatschen gern im Takt, zeigen ungern ihr Gefühl.
Meckern überjedes Wetter, sprechen nicht über ihr Geld,
sind bedrohter Tiere Retter, kämpfen für ’ne bess’re Welt.

Sie sind gut organisiert und auch meistens sehr sozial.
Wenn mal was nicht funktioniert, kriegen sie ‚nen Wutanfall‘.
Lieben Pünktlichkeit und Fleiß und jeden Leistungsnachweis.
Regeln machen, Regeln halten und dieselben auch verwalten.

Mit den Augen And’rer seh'n auf mein Volk, meine Kultur;
hilft mir, besser zu versteh’n, wer ich bin, meine Natur.
Was uns prägt, worin wir leben, magfür Fremde komisch sein.
Sollten wir nicht danach streben, auch an Fremden uns zufreu’n?

Auch wenn sie nicht alles wissen, woll’n sie alles besser wissen.
Wenn sie einmal warten müssen, sieht man sie meist ganz verbissen.
Lesen Bücher noch und nöcher, glauben nur das, was sie seh'n.
Ärgern sich über Schlaglöcher, und bei Rot bleiben sie steh’n.

Sie sind dauerhaft gestresst, engagier’n sich im Verein.
Jeder Müll und jeder Rest wird getrennt, das muss so sein.
Isst man nicht den Teller leer, ist das kein gutes Signal.
Wurst und Brot mögen sie sehr Sorten gibt's, das ist genial!

Mit den Augen Jesu seh’n aufdie Menschen dieser Welt:
Er kann jedes Volk versteh’n‚ hat sich ihnen gleichgestellt.
Jesus starb, damit wir leben, möchte uns ganz nahe sein,
hat aus Liebe sich gegeben, spricht in die Kultur hinein.


Ruth Halstenberg

aus Fokus Mission, Ausgabe 2/2019  März·April·Mai

 

06.03.2019:

 

Sternstunden des TV: Mal wieder ein Statemant zur Talk-Sendung von Makus Lanz

 

Ich muss gestehen, ich halte Herrn Lanz für selbstverliebt; er hört sich selbst besonders gern reden. Aber andererseits gelingen ihm und der Redaktion echte Sternstunden des politischen Talks, die man so anderenorts nicht geboten bekommt.
So am Dienstag, den 05.03.2019. Es deudete sich schon an: diese Sendung wird etwas Besonderes. Als Gäste waren lediglich zwei Persönlichkeiten geladen; die aber hatten besonderes Format. Klaus von Dohannyi war vor nicht langer Zeit schon einmal Gast. Den ZEIT-Jorunalisten Giovanni di Lorenzo hingegen hatte ich dort noch nicht gesehen.
Und tatsächlich, es ergab sich ein spannender, auch kontroverser Talk mit einem alten, etwas knorrigen und sehr kritischen Herrn von Dohnanyi und einem feinsinnigen, intellektuellen Herrn di Lorenzo. Großartig! Der Politiker kritisierte die Klimawandel-Protestbewegung der Schüler scharf und unterstellte ihnen, sie würden natürlich lieber die Schule schwänzen und protestieren gehen, als tatsächliche Opfer für die Sache zu bringen. di Lorenzo widersprach dem heftig, aber Herr Dohnanyi blieb hart. Er kritisierte ebenso scharf seine SPD, die sich, wie überhaupt die Politik, sich um allerlei Kleinklein kümmere, aber die großen Fragen der Zukunft nicht diskutiere. Das wollte Herr di Lorenzo als Zeit-Chefredakteuer natürlich auch nicht einfach so stehen lassen. Auch in der Frage der Aufarbeitung und Diskussion um die Nazi-Vergangenheit herrschte kein Konsenz, obwohl man beider Seiten Argumente etwas abgewinnen konnte. Der eine wollte mehr über Ursachen des Nazionalsozialismus diskutiert wissen, der andere gleichermaßen über die Auswirkungen. Und schließlich wurde es persönlich und emotional. Denn die beiden Teilnehmer konnten aus der eigenen Familiengeschichte von schlimmen Erfahrungen aus der Nazi-Zeit berichten. Es blieb nicht bei nüchternen Berichten, sondern kam zur persönlichen Betroffenheit. Schließlich der bedeutungsschwere Satz von Herrn von Dohnanyi, wir hätten unseren Müttern doch so viel, einfach alles zu verdanken. Herrn di Lorenzo versagte fast die Sprache und er musste sich eine Träne aus den Augen wischen.
Von Donahnyis Mutterlob berührte sogar mich vor dem Fernseher. Es war vielleicht der eindrucksvollste Satz der Sendung, obwohl viel Gutes und Interessantes gesagt wurde.

Okay, ein langes Statement von mir. Aber diese Sendung hatte es verdient!
In der ZDF-Mediathek steht das Video zur Sendung noch bis zum 04.04.2019, 23:59 zur Verfügung.